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EDEN
WALKER
AVA
HALL
„Tiefe Gefühle,
dunkle Geheimnisse – Liebesromane,
die unter die Haut gehen.“
Lass dich mitreißen von romantischen Geschichten,
tiefer Leidenschaft oder dunkler Liebe,
die alle Grenzen sprengt.
G.
»Bist du sicher, dass das eine gute Idee ist, G?« Meine beste Freundin runzelte so stark die Stirn, dass man in den Furchen glatt den Grand Canyon verstecken könnte.
»Nein, Jean. Ich bin nicht sicher, dass das eine gute Idee ist. Aber ich habe kaum eine Wahl, also werde ich einfach darauf hoffen, dass mir die Bruchbude nicht auf den Kopf fällt, wenn ich sie betrete.«
»Wann warst du das letzte Mal hier? Es muss Jahre her sein.« Kopfschüttelnd betrachtete sie besagte Bruchbude vor uns. »Es muss Jahre her sein, seit überhaupt jemand dieses Drecksloch betreten hat.«
Zugegeben … Das Haus 402 an der Morgan-Street hatte eindeutig schon bessere Tage erlebt. Dass es in diesem Zustand schwer war, einen geeigneten Käufer zu finden, war wenig überraschend. Aber wenn man es lange vor dem Zerfallsstadium versucht hätte, hätten die Chancen vermutlich besser gestanden.
Da ich es aber nicht verkaufen konnte, weil ich ab heute darin leben würde, musste ich mir keine Gedanken darum machen. Meine Sorge sollte vielmehr meinem Überleben gelten, weil nicht auszuschließen war, dass mir das Dach über dem Kopf einstürzen würde, sobald ich mehr oder weniger selig darin schlief.
»Ich war noch ein Kind«, antwortete ich auf Jeans Frage. »Soweit ich mich erinnere, war ich nur ein einziges Mal hier, bevor meine Grandma gestorben ist.«
»Und du bist sicher, dass du hier sicher bist?« Damit meinte Jean nicht den maroden Zustand des Hauses. Sie meinte etwas grundlegend anderes, aber wenigstens an der Front konnte ich ruhigen Gewissens nicken.
»Ganz sicher. Er weiß nichts hiervon.«
Sie seufzte und band ihr schulterlanges, schokoladenbraunes Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen, ehe sie die Hände in die Hüften stemmte. Mit ihrem Designertop in Verbindung mit den blütenweißen Jeans wirkte sie hier noch deplatzierter als ich, aber meine Klamotten hatte ich ebenso an dem Ort zurückgelassen, den ich in meinem Leben nicht wieder betreten würde, wie alles andere.
»Okay. Dann wollen wir mal deinen Kram da reinschaffen, was?«
»Du musst das nicht machen, Jean. Ich bin dir dankbar, dass du mich hergefahren hast, ist ja nicht gerade um die Ecke.«
Meine Freundin lachte. »Ja, das kannst du laut sagen. Aber falls es dich tröstet … Du bist so ziemlich der einzige Mensch - nach Brian natürlich - für den ich tausend Meilen durchs ganze Land fahren würde, ohne mit der Wimper zu zucken. Ich helfe dir beim Auspacken, das ist das Mindeste, was ich tun kann.«
»Das beruhigt mich wirklich.« Ich grinste. »Und danke! Das bedeutet mir wirklich viel.«
Sie zog mich in ihre Arme und drückte mich fest. »Du bist meine beste Freundin, G. Ohne dich hätte ich Brian nie kennengelernt. Und ich werde dich so was von vermissen, das kannst du dir nicht vorstellen. Ich hoffe, es ist nicht für immer.«
»Das hoffe ich auch«, murmelte ich an ihrer Schulter und bemühte mich, den monströsen Kloß in meinem Hals möglichst unauffällig hinunterzuwürgen. »Irgendwann wird er es aufgeben. Er muss irgendwann aufgeben, denn schließlich bin ich offiziell nach Kanada geflohen oder vielleicht sogar schon tot, oder nicht?«
»Und ich schwöre, dass ich niemals zu jemandem etwas anderes sagen werde, Sweetie.« Jean sah mich einen Moment mitleidig und wehmütig an, dann rollte sie ihre imaginären Ärmel hoch und öffnete rigoros den Kofferraum ihres nagelneuen Mercedes GLS. Der SUV ihres Mannes wirkte derart fehl am Platz, dass es beinahe lächerlich war.
Mein Plan, mich von Anfang an möglichst unsichtbar in meiner neuen Nachbarschaft zu machen, ging hiermit wohl zum Teufel. Am Küchenfenster in dem Haus gegenüber stand nämlich bereits eine Frau hinter der Gardine und starrte neugierig herüber. Fehlte nur, dass sie ein Fernglas in der Hand hielt, aber vielleicht versteckte sie das bloß.
Ein paar Einfahrten weiter spielten Kinder mit einem Hund auf dem Gehweg. Irgendwo mähte jemand den Rasen. Und eine Frau hockte zwei Häuser weiter auf den Knien in ihrem Vorgarten und pflanzte Blumen, wobei meine Freundin und ich wesentlich interessanter für sie zu sein schienen als die Blumenzwiebeln in ihrem Korb. Erst recht, weil man die Dinger gar nicht mitten im Hochsommer pflanzte. Das wusste sogar ich.
Vielleicht sollte ich sie ignorieren und so tun, als wäre es das Normalste der Welt, ein heruntergekommenes Haus wie dieses beziehen zu wollen. Ohne Möbel. Ohne auch nur den Hauch einer Ahnung zu haben, ob es überhaupt Wasser und Strom gab oder ob nicht beim nächsten Lufthauch alles in sich zusammenfiel. Total normal.
Mein neues Zuhause war jedenfalls das älteste und heruntergekommenste Haus in dieser Straße, wahrscheinlich war ich deshalb so interessant für die Leute. Der Kontrast zu dieser halb zerfallenen und womöglich einsturzgefährdeten Bruchbude wurde natürlich klischeehafterweise perfektioniert, weil es direkt neben einem Haus stand, das locker doppelt so groß war wie dieses und obendrein den Reichtum seiner Besitzer zur Schau stellte. Der Rasen im Vorgarten war so grün, dass er in eine Fernsehwerbung gepasst hätte. Das galt auch für die weißgestrichene, perfekte Veranda, die blütenweiße, holzvertäfelte Fassade und die perfekt inszenierten Blumenarrangements in den großen Pflanztöpfen und den Beeten vorm Haus. Um die Gegensätze zusätzlich zu unterstreichen, stand vor der Doppelgarage ein schicker Sportschlitten, der vermutlich mehr kostete, als jeder normale Mensch in einem halben Leben verdiente, aber was soll’s. Wahrscheinlich konnte ich froh über solche Nachbarn sein, denn bestimmt war ihr Haus videoüberwacht und niemand würde es sich wagen, nachts hier herumzuschleichen.
»Vielleicht fährst du morgen als Erstes in einen Baumarkt und besorgst dir Farbe, damit man nicht beim deprimierenden Anblick der Hausfassade Selbstmordgedanken entwickelt«, schlug Jean vor, als sie eine meiner Kisten aus dem geräumigen Kofferraum wuchtete. »Nicht, dass deine Nachbarn bald mit Forken und Mistgabeln vor deiner Tür stehen, weil es endlich jemanden gibt, der diesen Schandfleck in ihrer Nachbarschaft in ein Vorzeigeobjekt für gutes altes amerikanisches Spießertum verwandelt.«
»Sagt diejenige, die zu Hause in einer Dreimillionendollarvilla lebt und einen Tobsuchtsanfall bekommt, wenn jemand Fingerabdrücke auf ihren Hochglanzküchenfronten hinterlässt«, grinste ich belustigt. »Keine Sorge, ich werde das geduldige Gemüt der Nachbarschaft schon nicht allzulange überstrapazieren.« Und irgendetwas Sinnvolles konnte ich ja schließlich auch mit der Kohle machen, die ich Jack gestohlen hatte. Warum sie also nicht in mein neues Zuhause investieren, das vielleicht sogar mein neues Leben sein könnte?
»Hallo? Es gibt nichts Fürchterlicheres als Fingerabdrücke auf Hochglanzfronten! Ein Grund, wieso ich - sollte ich jemals Kinder haben - die Türen zur Küche verriegeln werde, damit die kleinen Monster nicht überall Schokoladenpatscher oder Breifinger hindrücken können.«
Der Kommentar, der alles andere als böse gemeint war, versetzte mir einen Stich, aber ich fing mich schnell und brachte meine für einen Sekundenbruchteil entgleisten Gesichtszüge wieder zur Räson.
»O Shit. Tut mir leid, ich …«
»Ist schon gut, wirklich! Lass uns nicht mehr drüber reden«, unterbrach ich sie hastig und leicht beschämt, weil es mir wohl doch nicht so gut gelungen war, dieses sensible Thema so leichtfertig zu überspringen. »Bevor ich irgendetwas anderes hier unternehme, muss ich mir ohnehin erst ein Auto kaufen. Ich schlage vor, du setzt mich morgen früh beim erstbesten Gebrauchtwagenhändler ab und reitest dann zurück in den Sonnenuntergang nach Hause.«
»Ich versuche jetzt, das nicht persönlich zu nehmen, Sweetie. Ich weiß ja, dass du nur mein Bestes willst.«
»Natürlich. Nur dein Bestes. Immer.« Ich nickte und wischte mir mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn, nachdem ich einen Karton mit meinen Klamotten auf die marode Veranda gestellt hatte. Wenigstens war sie nicht zusammengebrochen, als ich sie betreten hatte. Das war wohl ein Anfang. »Dann wollen mir mal.«
»Was verbirgt sich wohl hinter dieser Tür«, philosophierte Jean mit dramatisch angehauchtem Flüstern, das mich ungewollt lachen ließ. »Ist es die letzte Ruhestätte eines Gespenstes aus der Vergangenheit? Vielleicht der Geist einer deiner Vorfahren? Oder ist es eine Ratte mit ihrer Rattengroßfamilie, die auf dem alten Parkett Samba tanzt? Oder vielleicht …«
»Hör auf, Jean! Du machst mir keine Angst, falls das deine Absicht war. Du kannst mich nicht umstimmen.«
»Okay, ist ja gut. Aber jetzt schließ endlich diese verdammte Tür auf, ich sterbe vor Neugier.«
Ich holte tief Luft, dann zog ich den Schlüssel aus meiner Jeanstasche und schloss die vergilbte Tür auf. Die Farbe war fast vollständig abgeblättert. Wahrscheinlich grenzte es an ein Wunder, dass sie nicht aus den quietschenden Angeln fiel. Das Schloss klemmte. Ich musste ein bisschen rütteln und stärker drehen, aber schließlich schnappte der Riegel auf und ich konnte die Tür vorsichtig aufstoßen.
»Ein neues Schloss solltest du auch einbauen lassen«, riet meine Freundin und schob sich unauffällig hinter mich, als wollte sie auf keinen Fall als Erste über die Schwelle treten. Das konnte ich ihr nicht verübeln, denn der muffige Geruch schlug mir schon entgegen, obwohl ich das Haus noch gar nicht betreten hatte. »Oder eine neue Tür. Oder - ach was soll der Geiz - reiß die Hütte einfach ab und bau eine neue. Ist bestimmt zeitsparender und günstiger, als alles zu renovieren.«
»Vielleicht ist es gar nicht so schlimm, wie es aussieht«, insistierte ich halbherzig und gab mir einen Ruck.
Ich trat in den schmalen Eingangsbereich hinter der Haustür und versuchte, mich an irgendetwas zu erinnern. Meine Grandma hatte einen roten Teppich hier liegen gehabt, aber der war nicht mehr da. Auch ein kleines Schränkchen hatte rechts gestanden. Aber jetzt hing nur noch der Spiegel an der Wand, der so staubig und blind war, dass man darin kaum etwas erkennen konnte.
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